Zu Praetorius: Hexenverfolgungen – Dichtung und Wahrheit

von Klaus Holzer

Abb. 1 Hexenverbrennung 2

Abb. 1: Hexenverbrennung 1587

Was war es nun, dessen ,Hexen‘ beschuldigt wurden, was sie gestehen sollten? Es waren vier Tatbestände, die den ,Hexen‘ zur Last gelegt wurden und die sie zu gestehen hatten: Teufelspakt (beinhaltet auch Teufelsbuhlschaft, d.h., Geschlechtsverkehr mit dem Teufel), Hexenflug, Hexensabbat und Schadenszauber. Und erst, wenn sie dieses gestanden hatten, konnte gegen sie die Todesstrafe verhängt werden.

Abb. Ersatz Hexenflug

Abb. 2: Hexenflug

Das verlangte die kaiserliche Halsgerichtsordnung, die Constitutio Criminalis Carolina Kaiser Karls V. von 1532. Um das Geständnis zu erreichen, wurde gefoltert. Durch die Folter wurde also eine an sich gute Bestimmung in ihrer Wirkung pervertiert.


Abb

Abb. 3: Titel mit Frontispiz ( Titelblätter des Kommentars zur Carolina (im Stadtarchiv)

Aus der Zwischenablage

Abb. 4: Titelseite der Carolina, Ausgabe von 1696 (im Stadtarchiv)

Die die „zauberey“ betreffenden Passagen der Carolina lauten (Dank an Hans Jürgen Kistner, der mich auf diese Passagen aufmerksam machte):

44. Von zauberey gnuogsam anzeygung

ITem so jemandt sich erbeut andere menschen zauberei zuo lernen / oder jemands zuo bezaubern bedrahet vnd dem bedraheten dergleichen beschicht / auch sonderlich gemeynschafft mit zaubern oder zauberin hat / oder mit solchen verdechtlichen dingen / geberden / worten vnd weisen / vmbgeht / die zauberey auf sich tragen / vnd die selbig person des selben sonst auch berüchtigt / das gibt eyn redlich anzeygung der zauberey / vnd gnuogsam vrsach zuo peinlicher frage.

52. So die gefragt person zauberey bekent.

ITem bekent jemandt zauberey / man soll auch nach den vrsachen vnnd vmbstenden / als obsteht fragen / vnd des mer / wo mit / wie vnd wann / die zauberey beschehen / mit was worten oder wercken. So dann die gefragt person anzeygt / daß sie etwas eingraben / oder behalten hett daß zuo solcher zauberey dienstlich sein solt / Mann soll darnach suochen ob man solchs finden kundt / wer aber solchs mit andern dingen / durch wort oder werck gethan / Man soll dieselben auch ermessen / ob sie zauberey auff jnen tragen. Sie soll auch zuofragen sein / vonn wem sie solch zauberey gelernt / vnd wie sie daran kommen sei / ob sie auch solch zauberey gegen mer personen gebraucht / vnd gegen wem / was schadens auch damit geschehen sei.

109. Straff der zauberey.

ITem so jemamdt den leuten durch zauberey schaden oder nachtheyl zuofügt / soll man straffen vom leben zuom todt / vnnd man soll solche straff mit dem fewer thuon. Wo aber jemandt zauberey gebraucht / vnnd damit niemant schaden gethan hett / soll sunst gestrafft werden / nach gelegenheit der sach / darinnen die vrtheyler radts gebrauchen sollen / wie vom radt suochen hernach geschriben steht.

Abb. 2 CCCarolina Abb. 5: Constitutio Criminalis Carolina, Ausgabe von 1577

Im folgenden sollen vier Aspekte näher beleuchtet werden:

  1. Es wurde und wird behauptet, daß Hexenverfolgungen eine systematische Vernichtung von Frauen und (wenigen) Männern waren, die „im Vergleich zur damaligen Menschendichte mehr Menschenleben gefordert hat als die unvorstellbare Judenvernichtungsaktion Hitlers“. Dabei ist die Rede von bis zu 9 Millionen Hexenfolterungen und –verbrennungen.
  2. Prozesse und Verurteilungen fanden auf Betreibung der (katholischen) Kirche statt. Die (vor allem spanische) Inquisition war die treibende Kraft hinter Tortur und Verbrennungen.
  3. Der Hexenhammer.
  4. Friedrich Spee.

Ich beziehe mich in den folgenden Ausführungen auf das 2. Kapitel „Hexen und Zauber“, „I. Hexenglauben“ (S. 295 – 333) in „Toleranz und Gewalt. Das Christentum zwischen Bibel und Schwert“, erschienen bei Aschendorff in Münster 2007, des Münsteraner Theologen Arnold Angenendt, der sich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.

Zu 1.:

Angenendt zitiert „gut belegte Zahlen von Gustav Henningsen“ von 2003, die für Deutschland etwa 25.000 Opfer bei ca. 16 Millionen Einwohnern nachweisen. In den deutschen katholischen Gebieten waren die Opferzahlen höher als in protestantischen Gebieten. In den katholischen Ländern Europas hingegen liegen diese Zahlen bedeutend niedriger. Bezieht man die Zahl der Opfer auf die Gesamtbevölkerung, ergibt sich folgendes Bild (Hexenhinrichtungen in Europa, höchste Zahlen, Auszug aus der Tabelle von Henning):

Land

Einwohner um 1600

Hinrichtungen

Promille

Dänemark/Norwegen

970.000

1.350 (?)*

1,392

Deutschland

16.000.000

25.000

1,563

Polen/Litauen

3.400.000

10.000 (?)*

2,941

Schweiz

1.000.000

4.000

4

Liechtenstein

3.000

300

100

(Hexenhinrichtungen in Europa, niedrigste Zahlen, Auszug aus der Tabelle von Henning):

Land

Einwohner um 1600

Hinrichtungen

Promille

Niederlande

1.500.000

200

0,133

Italien

13.100.000

1.000 (?)*

0,076

Spanien

8.100.000

300 (?)*

0,037

Portugal

1.000.000 (?)*

7

0,0007

Irland

1.000.000

2

0,0002

* Diese Zahlen weisen eine größere Unsicherheit auf.

Diese Zahlen liegen deutlich unter den wohl ideologisch motivierten Phantasiezahlen, die in die Millionen gehende Opferzahlen propagieren, dennoch muß klar gesagt werden, daß sie immer noch bestürzend hoch sind. Der Begriff „Justizmord“ wurde bezeichnenderweise im Zusammenhang mit einem Hexenprozeß geprägt. Und der Anteil der Frauen liegt, nach ebenfalls als zuverlässig erachteten Schätzungen, die auf vorhandenen Dokumenten wie Gerichtsprotokollen fußen, bei 75 – 80%.

Zu 2.:

Wo die Hexenverfolgung in den Händen der Inquisition lag, wird ein gemäßigter bis vorsichtiger Umgang mit dem Hexereidelikt festgestellt. In Spanien war es die institutionalisierte Inquisition, die die Hexenverfolgungen unter ihre Kontrolle brachte und 1526 praktisch beendete. Der römischen Inquisition wird bescheinigt, Kranke und Bedürftige gut behandelt zu haben, schwangere Frauen mit Rücksicht. Es gab die gleiche Verpflegung wie für die Wärter, Heizmaterial für die Zellen und regelmäßig frische Bettwäsche, die Wärter waren ohne Grausamkeit.

Hexenglauben wird heute als vormodernes Allgemeinphänomen betrachtet, das zunächst von der Kirche nicht ernst genommen und daher oft durch Lynchjustiz „geahndet“ wurde. Der mit Hexenglauben eng zusammenhängende Schadenszauber war ein säkulares Delikt, das seit dem Codex Hammurabi (Babylon, 18. Jh. v. Chr.), mit Strafe bewehrt ist, das die Kirche nicht strafrechtlich verfolgte, wohl aber das weltliche Recht, wie es schon der Sachsenspiegel des Eike von Repgow (Deutschland, zwischen 1220 und 1235) vorsah: „Ist ein Christ ungläubig oder beschäftigt er sich mit Zauberei und Giftmischerei und wird dessen überführt, den soll man auf dem Scheiterhaufen verbrennen.“  (Hexenglauben und –verfolgung gibt es noch heute in Afrika, Südostasien und Südamerika.)

Abb. 3 Hexenverbrennung

Abb. 6: Hexenverfolgung/verbrennung

Der Hexereibegriff, den wir heute zugrundelegen, wurde erst gegen Ende des Mittelalters (MA) geschaffen. Kennzeichen: 1. Pakt mit dem Teufel. 2. Geschlechtsverkehr mit ihm; 3. Möglichkeit zum Schadenszauber bzgl. Mensch, Tier und Ernte; 4. Teilnahme am Hexensabbat.

Nahezu alle frühen Hexenprozesse wurden nicht von Geistlichen veranstaltet, hatten nichts mit kirchlicher Gerichtsbarkeit zu tun, sondern von Politikern und Laien, da die weltlich-staatliche Justiz generell die Zuständigkeit bei Hexenprozessen für sich reklamierte. 1532 beanspruchte die Constitutio Criminalis Carolina Kaiser Karls V., das für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation erlassene Strafgesetzbuch, die Kompetenz für Hexenprozesse, ließ sie aber nur für „wirklich nachweisbaren Schadenszauber“ zu und erlaubte nur begrenzte Folteranwendung. Dadurch wurden in schwierigen Fällen studierte Juristen notwendig, was die weltlich-staatliche Justiz nach sich zog.

Fast immer kamen Hexenprozesse durch Anzeigen aus der Nachbarschaft  und der Dorfgemeinde in Gang. Oft gab es im Dorf Hexenausschüsse, und da diejenigen, die jemanden der Hexerei bezichtigten, sich das Vermögen der „Hexen“ mit den Richtern teilen durften, endeten Hexenprozesse hier auch so gut wie immer mit einem Todesurteil. Auf dieser Ebene, zusammen mit den adeligen Ortsgerichten, kam es auch immer wieder zur kirchlicherseits längst verbotenen Wasserprobe. Und hier führte man in der Regel auch sofort die keinen Normen verpflichtete Folter durch. Ausgerechnet päpstliche Inquisitoren erkannten mit als erste, daß maßlose Folterung zu zahlreichen Fehlurteilen führen mußte und geführt hatte.

Abb. Ersatz Erkenntnis der ZauberinnenAbb. 7: Wasserprobe

In summa: Die Inquisition verfuhr rechtsbewußter und weniger grausam als die weltliche Justiz.

Zu 3.:

Der Dominikanermönch Heinrich Kramer, der sich lateinisch Institoris nannte, war eine zwielichtige Gestalt, die u.a. wegen Unterschlagung von Ablaßgeldern belangt worden war. Er besorgte sich 1484 von Papst Innozenz VIII. eine Bulle, die Hexenverfolgung vorsah, nicht jedoch Hexenverbrennung. Daraufhin zettelte er Hexenverfolgungen an, scheiterte jedoch kläglich, so z.B. in Innsbruck. Der Bischof von Brixen nannte ihn „kindisch“ und „verrückt“ und warf ihn aus Innsbruck hinaus. Erst dann schrieb er den „Hexenhammer“ (Malleus Maleficarum), und zwar allein, ohne den meist mitgenannten Jakob Sprenger. Er fügt seinem Buch die päpstliche Bulle bei, ein Gutachten der Kölner Theologischen Fakultät und ein kaiserliches Privileg, wodurch der Eindruck höchster Autorität entstand. Jedoch zeigen neue Forschungen, daß die Bulle in Wahrheit aus der Bürokratie des Vatikans stammt und ohne Wissen des Papstes verfaßt wurde. Und das Gutachten der Kölner Theologen ist mittlerweile als Fälschung entlarvt worden. Bleibt nur noch das kaiserliche Privileg, das bislang nicht angezweifelt wird.

Abb. 5 Malleus_1669

Abb. 8: Der Hexenhammer

Seit seinem Erscheinen in der Karwoche 1487 und einem weiteren Druck 1520 erschien der Hexenhammer in 10.000 Exemplaren und traf offensichtlich den Nerv der Zeit: Er wurde zur Grundlage der Hexenverfolgungen und –verbrennungen, die vor allem das 16. und 17. Jh. erschütterten. Von nun an wurden Hexereidelikte nördlich der Alpen ausschließlich vor weltlichen Gerichten verhandelt, die sich ja der Zustimmung der katholischen Kirche gewiß waren, waren doch die Umstände ihrer Entstehung nicht bekannt. Selbst die protestantischen Kursächsischen Konstitutionen (1572 vom sächsischen Kurfürsten August publizierte Sammlung von Rechtsentscheidungen) übernahmen Teile des Hexenhammers. Sie bieten eine organische Weiterentwicklung des auf dem Sachsenspiegel fußenden sächsischen Rechts und wandten ihn an, samt der Todesstrafe. Selbst die bekannten Gegner der Hexenverfolgung, Spee und Prätorius, bestreiten nicht, daß es Hexen gibt. Und Luther äußert sich in seiner Predigt vom 6. Mai 1526: „Sie schaden vielfaltig, also sollen sie getötet werden, nicht allein, weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.“ Calvin scheint hier nicht klar zuzuordnen zu sein. Zum einen erklärte er, Gott selbst habe die Todesstrafe für Hexen festgesetzt („Hexenverfolgung“, wikipedia). Zum anderen soll Calvin für  Praetorius eine Autorität sein, die er im Kampf gegen Hexenverfolgungen auf seiner Seite sieht (Detmers, historicum.net). Es bleibt jedoch klar festzuhalten, daß Hexerei im MA Bestandteil der Lebenswirklichkeit war.

Die spanische Inquisition lehnte den Hexenhammer auf einer Konferenz in Granada 1526 ab, die römische Inquisition urteilte 1580 genauso.

Zu 4.:

Ein weiteres Indiz dafür, daß es nicht „die Kirche“ war, die vor allem für Hexenverfolgung und –verbrennung verantwortlich war, ist die Tatsache, daß es der Mönch Friedrich Spee (FS) (25.2.1591 – 7.8.1635) und, noch vor ihm, der Pfarrer Anton Praetorius (AP) (um 1560 – 6.12.1613) waren, die vehement gegen diese Praxis Stellung bezogen, ja, sie in Wort und Tat bekämpften, und nicht etwa die Juristen in städtischen und landesherrlichen Diensten. Allerdings hatten Theologen und Prediger durchaus ihren Anteil an diesen Greueltaten.

Abb. 6 Friedrich Spee

Abb. 9: Friedrich Spee von Langenfeld (Ölbild von Martin Mendgen, 1938, Stadtbibliothek Trier)

Der wirkungsvollste Gegner der Hexenverfolgungen war ein Jesuit, Friedrich Spee, der Autor der Cautio Criminalis seu de processibus contra Sagas Liber (deutsch: Rechtliches Bedenken oder Buch über die Prozesse gegen Hexen). In dieser Schrift, die er 1631 anonym veröffentlichte, argumentiert FS zunächst vor allem juristisch. Er verlangt eine wirksame Strafverteidigung: der Richter solle dafür sorgen, daß es den Gefangenen nicht an Advokaten fehlt. Den Verteidigern solle der Zugang zum Gefängnis nicht verwehrt werden dürfen. Dann solle der Richter ein festes Gehalt bekommen, um ihn vor Bestechlichkeit zu schützen und seine Unabhängigkeit zu gewährleisten. Und er fordert die Beachtung des Grundsatzes in dubio pro reo ein, heute als „Unschuldsvermutung“ in aller Munde.

Abb. 7 Cautio_criminalis_1631

Abb. 10: Cautio Criminalis eines unbekannten römischen (katholischen) Theologen (anonym von Friedrich Spee veröffentlicht)

FS belegt an Beispielen aus seiner eigenen Erfahrung, daß die Folter ein inhumanes, ganz und gar unzuverlässiges Mittel zur Erforschung der Wahrheit ist. Die Verantwortlichkeit für Folter und Hexengerichte verteilt FS folgendermaßen: 1. die Fürsten, 2. die Ratgeber der Fürsten, 3. die Hexenrichter, 4. die Hexenbeichtväter, 5. das Volk,      6. die Hexenliteratur, 7. die Prediger. Seine Schrift richtet sich demzufolge ausdrücklich ad magistrates Germaniae: Ratgeber und Beichtväter der Fürsten, Inquisitoren, Richter, Advokaten, Beichtiger der Angeklagten und Prediger.

Schon 1627 hatte ein anderer Jesuit, Adam Tanner in Bayern, seine theologischen Argumente gegen Hexenverbrennungen vorgebracht, voller Abscheu gegen die zu der Zeit in den geistlichen Fürstbistümern Eichstätt, Bamberg, Würzburg und Mainz tobenden Hexenverbrennungen.

Doch entwickelte FS nicht nur eine lückenlose juristische Argumentationskette gegen die Hexenverbrennungen, sondern legte auch ausführlich christlich–kirchliche Argumente dar. Zuallererst berief er sich auf den Gott der Liebe: Gott ist ein für alle Male von unbegreiflicher Liebe zum Menschengeschlecht erfüllt. Im Gegensatz zu den Scharfmachern interpretiert er das Weizen/Unkraut–Gleichnis in Matthäus 13, 24 – 30 tolerant: Wenn Gefahr droht, daß zugleich der Weizen mit ausgerauft werde, dann darf das Unkraut nicht vertilgt werden. Mit seiner Klage „Ecce Germania tot sagarum mater“ (Sehet Deutschland, so vieler Hexen Mutter) spielt er auf das Ecce homo der Passionsgeschichte an. Seine Haltung kam „vom Glauben her“.

Und weiter unten heißt es: „[…] Schadenszauber und damit auch Hexerei [galten] bei den kirchlichen und bei den weltlichen Instanzen als wirklich existent und strafbar. Darum verfolgte die weltliche Justiz den durch Hexerei angerichteten Schaden als justiziables Verbrechen. Die kirchliche Vorgehensweise wollte […] nur geistliche Bestrafung, bei Verzicht auf Körperstrafen. Da jedoch kirchlicherseits bei den Ketzern die Todesstrafe möglich geworden war, mußte allen Hexern und Hexen wegen ihres häretischen Teufelspaktes ebenfalls der Tod drohen. Aber die Kirchengerichte wie besonders die Inquisition hielten sich zurück, ja lehnten ab. So ist am Ende festzustellen: Zauberei galt allgemein als teuflisch, wegen des Teufelspaktes als Glaubensaufkündigung, wurde aber kirchenoffiziell nicht mit dem Tode geahndet, allerdings nicht deswegen, weil man die Todesstrafe grundsätzlich für bedenklich gehalten hätte, sondern weil man bei Hexerei den erforderlichen juristischen Erweis für unmöglich hielt.“

Und es verdient festgehalten zu werden, daß alle Konfessionen bei diesem Kampf gegen Hexenverfolgungen beteiligt waren: der calvinistische Pfarrer Anton Praetorius  als Vorreiter mit seinem „Gründlichen Bericht von Zauberei und Zauberern“ , der Jesuit Friedrich Spee mit seiner „Cautio Criminalis“ von 1631 als wirkungsvollster Kämpfer, lutherische Pfarrer, als sie AP öffentlich unterstützten, indem sie die dritte Auflage von 1613 seines „Gründlichen Berichts“ förderten.

Fazit: Die aufklärerisch-liberale Interpretation der Hexen-Verfolgung lautete, wie die Aufarbeitung der Hexerei-Geschichtsschreibung inzwischen ergeben hat: „mehrere Millionen Opfer, mittelalterliches Phänomen und ausschließliche Schuld bei der katholischen Kirche bzw. der Inquisition“. Das Gegenteil ist inzwischen herausgearbeitet: weder Millionen Opfer, noch mittelalterliches Phänomen, sogar Ablehnung durch Päpste und Inquisition.

Abb. 8 Titelseite 1602

Abb. 11: Antonius Praetorius – Gründlicher Bericht von Zauberey etc. (vgl. Artikel über Praetorius)

Auch Hartmut Hegeler kommt in seiner Schrift „Hexenprozesse. Die Kirchen und die Schuld“ (Unna 2003) zu einem ähnlichen Verdikt: „Von einer alleinigen Verantwortung der Kirchen für Entstehung und Durchführung der Hexenprozesse kann jedoch nicht gesprochen werden.“ (S.8) Allerdings beurteilt er die Verstrickung der lutherischen, calvinistischen und katholischen Kirche als so schwerwiegend, daß er offizielle Schuldanerkenntnisse von ihnen verlangt und darüber hinaus auch die Rehabilitierung aller als Hexen verurteilten Personen. Hierin hat er durch seine Initiative auch schon einiges erreicht: bis 2015 wurden „Hexen“ in 40 Städten und Gemeinden rehabilitiert. Winterberg im Sauerland machte am 19. November 1993 den Anfang, heute steht Gelnhausen in Hessen seit dem 10. Juni 2015 am vorläufigen Ende der Liste.

Hegeler sagt dazu: „Eine rechtliche und theologische Rehabilitierung der unschuldig hingerichteten Opfer der Hexenprozesse ist ein überfälliger Akt im Geiste der Erinnerung und Versöhnung.“

Wie komplex die Materie ist, wird allerdings auch deutlich. „Man darf nicht vergessen, dass die Menschen nach damals geltendem Recht verurteilt wurden. Hexerei war ein existierender Straftatbestand, auch Folter war erlaubt,“ sagt der Jurist Prof. Dr. Wolfgang Schild von der Universität Bielefeld. „ Eine tatsächliche juristische Rehabilitierung – also die Aufhebung der Urteile – ist deshalb nicht möglich. Was die Städte also lediglich tun können, hat vielmehr symbolischen Wert.“ (lt. dpa vom 27. Nov. 2011) Er betont also das juristische Prinzip, wonach Gesetze nicht rückwirkend (ex post) angewandt werden dürfen.

Auch wenn vielleicht nicht überall eine juristische Aufarbeitung und, damit einhergehend, eine Revision der mittelalterlichen Hexengerichtsurteile möglich oder erwünscht ist, mindestens läßt sich aber Hegelers Vorschlag umsetzen, wenigstens eine Straße nach dem ersten Kämpfer gegen Hexenprozesse, Antonius Praetorius, zu benennen. Eine mitgegebene Erklärung wird alle an diese doch im ganzen unrühmliche Zeit erinnern. Ein Akt der Aufklärung.

Anhang: Die drei Passagen (44, 52, 109), die oben aus der Carolina zitiert werden, im Erscheinungsbild  der Ausgabe von 1696 (im Stadtarchiv Kamen):

44 Zauberey

Ziff. 44: Von Zauberey genugsame Anzeigung

52 gefragte Person

Ziff.  52: So die gefragte Person Zauberey bekennt

109 Straff

Ziff. 109: Straff der Zauberey

Bildnachweis:

aus Wickiana: Abb. 1

aus Wikipedia: Abb. 2, 5, 7, 8 (MM, Lyon 1669), 10 (Rinteln 1631), 11

Stadtarchiv Kamen: Abb. 3 & 4

aus H. Hegeler, Hexenverfolgung am Beispiel von Anton Praetorius: Abb. 6

Friedrich-Spee-Gesellschaft Trier: Abb: 9

KH