Schulstraße

von Klaus Holzer

Abb. 0

Die Schulstraße war jahrhundertelang der Standort Kamener Schulen, hier vor allem der Vorgängerbau des alten Küsterhauses neben der Pauluskirche. Die älteste Urkunde mit der Erwähnung eines Lehrers in Kamen stammt von 1320. Darin wird ein „Johann rector scholarum“ genannt. Pröbsting nimmt aber an, daß schon vorher eine Schule bestanden haben muß, da diese am Anfang immer den Kirchen angegliedert waren, und die St. Severinskirche (heute Pauluskirche) besteht schon seit dem frühen 12. Jh.

Abb. 1: Das alte Küsterhaus

Und 1418 wird urkundlich belegt, daß es nur einen Lehrer an dieser Schule gab. Das Vorläufergebäude des alten Küsterhauses neben der Pauluskirche war bereits im 16. Jh. eine Schule, die „schola latina camensis“ und hatte Platz für 24 Schüler. Wegen des ständigen Geldmangels war die bauliche Erhaltung ein Dauerproblem, immer war es kalt und zugig, regnete es herein. 1586 gab es hier drei Lehrer: primarius Antonius Praetorius, magister Lambertus Ulentorpius und magister Jost Timann. Nach 1600 stand hier die Evangelisch-Reformierte Schule, ab 1858 die Städtische Rektoratsschule, der Vorläufer des heutigen Städtischen Gymnasiums. Die letzte Schule an diesem Standort war die Pestalozzischule, zum Schluß als VHS-Gebäude benutzt, seit etwa 15 Jahren in ein Wohnhaus umgewandelt.

Abb. 2: Die Städtische Rektoratsschule, 1904 abgerissen

Abb. 3: Der 1905 begonnene Nachfolgebau, die Pestalozzischule

Abb. 4: Antonius Praetorius, gesehen vom Kamener Künstler Reimund Kasper

Der erste namentlich bekannte Rektor dieser Lateinschule war der o.e. Antonius Praetorius, der sich als erster großer Gegner der Hexenverbrennungen einen Namen machte. Im Jahr 1580 kommt er unter dem Namen Anton Schulze, gebürtig aus Lippstadt, als Lehrer nach Kamen, nennt sich aber, wie alle Studierten der mittelalterlichen Tradition folgend, lateinisch Antonius Praetorius. Hier heiratet er 1584 Maria, eine Kamenerin, die ihm 1585 den Sohn Johannes gebiert. Offenbar ist er ein guter Lehrer, er erwirbt sich bald Ansehen. Schon 1586 wird er zum Rektor der Kamener Lateinschule bestellt, was durch eine Urkunde vom 28. April 1586 im Kamener Stadtarchiv belegt ist.

Abb. 5. Die Urkunde von 1586, die Antonius Praetorius‘ Tätigkeit in Kamen belegt

Er ist wohl ein sehr guter Lehrer, denn man traut ihm zu, die „übel erzogenen wilden Rangen“ zu „Gottesfurcht, Zucht und Tugend“ (Stadtchronist Pröbsting) erziehen zu können. Umso erstaunlicher, daß es zu Anfang des 17. Jh. eine relativ große Anzahl an Studenten ex schola Camensi gab. Um die Erziehung ihrer Kinder zu verbessern und diesen guten Lehrer halten zu können, stifteten 14 prominente Kamener Bürger, darunter auch der damalige Bürgermeister Joachim Buxtorf aus der bekannten Gelehrtenfamilie, 1520 Taler und 72 Taler Rente pro Jahr, woraus Praetorius und zwei weitere Lehrer bezahlt werden sollten. Als Bedingung wird genannt, daß diese Stiftung nur so lange gelten solle, wie die Schule der „Augsburgischen Konfession“1 folge, d.h. evangelisch bleibe.

Bis 1859 wurde diese Schule von der evangelischen Kirchengemeinde betrieben, durch einen Vertrag zwischen Kirchengemeinde und Stadt, am 7. Februar 1859 von der Königlichen Regierung zu Arnsberg bestätigt, wurde diese Rektoratsschule städtisch, sollte aber evangelisch bleiben. Als Zeichen dafür sollte der älteste Pfarrer dieser Gemeinde ständiges Mitglied des Rektorat-Kuratoriums sein.

Der Sohn des Küsters Philip Ruß, der natürlich im Küsterhaus wohnte, ebenfalls Philip genannt, gilt als (einer der) Entdecker des „Schweinfurter Grüns“. Aus seinen Einnahmen daraus vermachte er seiner Heimatstadt später 2000 Taler.

Abb. 6: Das „Storchenhaus“

Auf der Ecke Schulstraße – Wimme steht eine Villa, die immer den Blick der Vorübergehenden auf sich zieht, weil sie sich äußerlich von allen anderen Häusern in Kamen unterscheidet. Sie hat eine richtige Einfahrt, der Sockel ist aus Bruchsteinen gemauert, darüber erhebt sich eine vielfach gestaltete Dachform mit Säulen, Erkern, Loggia. Und selbst der Schornstein scheint einem Taubenhaus nachempfunden. Es ist ein typisch historistischer Baustil. Es stammt aus den 1890er Jahren und wurde vom ersten Kamener Gynäkologen, Dr. med. R. Boschulte errichtet. An seinen Beruf erinnern noch heute die beiden Storchenköpfe links und rechts auf dem Gittertor. Da diese aber meistens offenstehen, muß man es wissen oder schon sehr genau hinschauen, um sie zu entdecken. Später war Dr. Boschulte auch Stadtverordneter. Seine Tochter erbte dieses Haus mitsamt dem Grundstück. Sie verkaufte einen Teil davon in den 1890er Jahren an die katholische Kirche. Heute steht die Kirche Hl. Familie darauf.

Auf der Ecke zur Julius-Voos-Gasse stand ehemals die Metzgerei Voos. Aus ihr ging … Aber diese Gasse verdient  einen eigenen Beitrag.

Abb. 0, 1, 5 & 6:  Photos Klaus Holzer (ausgen. Abb. 2)

Abb. 2 & 3: Archiv Klaus Holzer

 

1 Confessio Augustana, 1530, von Melanchthon verfaßte grundlegende Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche

KH