Die Patenschaft Bloomfield – Kamen

Ein geschichtlicher Überblick von Jürgen Dupke

Vor fast 70 Jahren gingen die Städte Bloomfield (Nebraska, USA) und Kamen (NRW, Deutschland) eine Patenschaft ein. Diese Patenschaft – und nicht Partnerschaft, wie sie die Stadt Kamen heute zu vielen Städten im In- und Ausland pflegt – war das Ergebnis großer wirtschaftlicher Not.

Nach dem Ende des II. Weltkrieges wünschte das Hilfs- und Unterstützungs-Komitee der kleinen Stadt Bloomfield aus dem Mittleren Westen der USA eine Verbindung zu einer deutschen Stadt ähnlicher Größe. Die alliierte Militärregierung hatte bereits 1947 nach deutschen Städten gesucht, die sich für eine Patenschaft durch amerikanische Städte eignen würden. Kamen empfahl sich in einem Brief an den Oberkreisdirektor in Unna (der dann an die Militärregierung berichtete) mit den Worten: „Durch den Krieg und seine Folgen ist die Einwohnerschaft hart getroffen worden. Die Siedlungen der Bergleute hatten unter dem Bombenkrieg schwer zu leiden. Aber auch die Innenstadt ist nicht verschont geblieben. (…) Wir sind deshalb dankbar für jede Hilfe, die uns zur Linderung einer durch höhere Gewalten für längere Zeit entstandenen Notlage von außen zuteil wird.“

Abb. 1

Zeremonie im großen Sitzungssaal des alten Rathauses in Kamen: Der amerikanische Kongreßabgeordnete Artur Stefan hält eine Rede an die Mitglieder des Kamener Rates

In Folge eines Fehlers wurde Bloomfield, das zu jener Zeit nur 1500 Einwohner zählte, mit Kamen, das bevölkerungsmäßig 10-mal so groß war, zusammengebracht. „Die Bewohner Bloomfields im Staate Nebraska haben beschlossen, die deutsche Stadt Kamen, im Kreis Unna, zu adoptieren. Dieser Beschluß geht zurück auf die Initiative des für seine privaten Hilfsleistungen nach Europa bekannten Bloomfielder Bürgers Claude Canaday“, zitierte daraufhin am 24. Februar 1948 die Westfalenpost aus einem entsprechenden Schreiben der Amerikaner. Diese hatten den Wunsch nach einer Stadt geäußert, die im Kohlenrevier liegen und eine katholische wie eine lutherische Kirche haben sollte.

Am 10. Juli 1948, rechtzeitig vor Beginn der 700-Jahrfeier der Stadt Kamen, wurde die erste Hilfslieferung, bestehend aus 100 CARE-Paketen, am Rathaus abgeladen. Es handelte sich um den Gegenwert einer 1.000 Dollar-Spende des Bloomfielder Hilfskomitees. Jeder US-Bürger konnte damals für 10 Dollar ein Paket, mit dem Namen des Spenders versehen, nach Europa schicken.

Abb. 2

Die erste Lieferung von Care-Paketen trifft ein

Überbracht wurden die Pakete, die so lange entbehrte Konsumwaren wie Kaffee, Schokolade und Fleischkonserven enthielten, durch das Kongreßmitglied Artur Stefan. Er wurde von General Lucius Clay, dem damaligen Militär-Gouverneur der US-Zone in Deutschland, begleitet. General Clay schrieb im Juli 1948 über seinen Besuch in Kamen an die Bürger von Bloomfield: „Wir kamen in Kamen gegen 16 Uhr an. Auf den Straßen dort hielten sich viele Menschen auf. Wir begaben uns in das Büro des Bürgermeisters, wo wir herzlich empfangen wurden. Um 17 Uhr wurde eine Zeremonie in einem großen Raum des Rathauses abgehalten. Einhundert CARE-Pakete aus Bloomfield waren in der Nacht zuvor eingetroffen. (…) 

Abb. 3

In der Mitte: General Lucius D. Clay, (1897 – 1978), bei seinem Besuch in Kamen. Clay war von 1947 bis 1949 Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland. Er gilt mit Adenauer und Schumacher als einer der Gründer der Bundesrepublik Deutschland; rechts daneben Stefan mit seiner Frau

Die Zeremonie war sehr beeindruckend. Kongreßmitglied Stefan hielt eine interessante Rede, in der er die Stadt Bloomfield vorstellte und die Adoption Kamens begründete. Die Deutschen waren überglücklich und viele von ihnen hatten Tränen der Dankbarkeit für die Großzügigkeit Bloomfields und das Geschenk der CARE-Pakete in den Augen. (…) Nach der Veranstaltung schauten wir aus den Rathaus-Fenstern und waren überrascht, daß die Straßen gefüllt waren mit Bürgern, die alle zum Rathaus hinaufsahen um Kongreßmitglied Stefan und seine Begleitung zu begrüßen. (…)“   

Abb. 4

Ein Polizist bewacht die erste Paket-Lieferung. Die Polizei trug damals für eine Übergangszeit extra hergestellte Uniformen, damit die aus der Nazizeit belastete Uniform aus der Öffentlichkeit verschwand

Die Hilfslieferungen an Kamen, die noch einige Jahre andauerten und nicht nur aus CARE-Paketen bestanden, wurden durch eine Sonderkommission an die Bedürftigen und Hungrigsten der Stadt verteilt, wie Bürgermeister Rissel und Stadtdirektor Heitsch dem Begründer des Hilfswerks in Bloomfield, Claude Canaday, im Sommer 1948 mitteilten.

Abb. 5

 So sehr erwarteten die Kamener die Hilfslieferungen

Wann die materielle Unterstützung der Kamener Bevölkerung durch die Bürger Bloomfields endete, ist durch die Unterlagen des Stadtarchivs nicht zu belegen. Sicher ist aber, daß der Motor der Hilfsleistungen, der Farmer Claude Canaday (1896 – 1988), zwei Reisen auf eigene Kosten nach Kamen im Oktober 1948 und im Juni 1949 antrat, um „seine“ Stadt kennenzulernen und sich persönlich dafür einzusetzen, daß u.a. die Fabrik Hermann Klein (Produzent von Achslagern und anderen Eisenbahnteilen), die von den englischen Besatzungsbehörden zur Demontage vorgesehen war, weiterarbeiten konnte. Mit diesem Vorstoß hatte er auch tatsächlich Erfolg.

In einem Brief vom Juli 1965 schrieb Canaday an den Kamener Bürgermeister Beckmann: „ In unserem ersten Hilfsangebot hofften wir, nur Ihre Bürger etwas zu ermutigen, wo doch die Leiden und die Hoffnungslosigkeit so groß war. Wir waren froh, daß Sie unser Angebot annahmen und sind stolz darauf, die Bürger der Stadt Kamen als unsere Freunde nennen zu können.“ 

Im Jahr 1990 feierte der Ort Bloomfield seinen 100-sten Geburtstag. Dazu hat auch Kamen sehr herzlich gratuliert. In einer Festschrift Bloomfields, die zu diesem Anlass erschien und im Kamener Stadtarchiv verwahrt wird, schrieben die Autoren: „Das Gemeinwesen Bloomfield besteht aus hart arbeitenden Bauern und Kleinstadtbewohnern, die ihre Unterstützung aus christlicher Nächstenliebe und Mitgefühl und nicht aus dem Überfluss gegeben haben.“

Am 16. Juli 2009 besuchte Leroy Cordes, Bürgermeister Bloomfields, die  Stadt Kamen. Er übergab dabei an sein Kamener Pedant, Hermann Hupe, eine Plakette, welche die damals mehr als 60 Jahre alte Patenschaft zwischen den beiden Städten symbolisiert. Diese Plakette befindet sich heute im Kamener Stadtarchiv.

Im Jahr 2015 schließlich konnte Bloomfield den 125-igsten Jahrestag seiner Gründung feiern. Auch dazu hat die Stadt Kamen, in einem Brief von Hermann Hupe an seinen amerikanischen Amtskollegen, sehr herzlich gratuliert. Die Dankbarkeit der Kamener für großzügige Hilfe in schwerer Zeit wird aber nicht nur durch den Schriftverkehr der Repräsentanten beider Städte gewürdigt. Sichtbares Zeichen dafür, daß die Unterstützung der amerikanischen „Paten“ nicht vergessen ist, sind die beiden Straßenbenennungen „Claude-Canaday-Straße“ und „Bloomfield-Straße“, die sich beide auf der Lüner Höhe befinden. An den Straßenschildern befinden sich Namenserläuterungen. In diversen Publikationen, besonders sei hier auf das Buch zur Kamener Stadtgeschichte „Burgmänner, Bürger, Bergleute“ von Klaus Goehrke hingewiesen, wird zudem die Historie und Bedeutung dieser Verbindung  beider Städte und ihrer Bürger dokumentiert.

 

Bildquellen: National Archives at College Park, Maryland, USA/ Stadtarchiv Kamen: Abb. Nr. 1,3,4,5 (alle Photos vom 8. Juli 1948

Stadtarchiv Kamen: Abb. Nr. 2