Das 8. Zeitzeichen – „Kopfbuchen“

Borys Sarad

Photo: Borys Sarad

von Klaus Holzer

8. Zeitzeichen des KKK

Am Donnerstag, 13. November 2014, fand im Haus der Stadtgeschichte in Kamen das 8. Zeitzeichen des Kulturkreises Kamen statt. Heribert Reif, bis Januar 2014 Leiter des Botanischen Gartens Rombergpark in Dortmund sprach über „Kopfbuchen – zum Geschichtsverständnis früherer Waldnutzung“. Mit tiefer Kenntnis und voller Begeisterung referierte Heribert reich über Holz– und Waldnutzung während der letzten anderthalb Jahrtausende. Und er wußte Erstaunliches zu berichten.

Wer von seinen Zuhörern wußte schon, daß

… bereits Karl der Große eine erste Waldschutzsatzung erließ, weil er die Bedeutung von Holz zum Bauen, Heizen, Kochen und für den Waffenbau erkannt hatte?

… sich anhand der Bepflanzung vom Gardasee übers Piedmont bis in die Toskana deutsche Siedlungsspuren nachweisen lassen? (Die germanischen Fürsten hatten, als sie zur Völkerwanderungszeit nach Italien zogen, in ihrem Troß eben auch Bauern und Handwerker dabei, die im fremden Land genau das taten, was sie von zu Hause kannten?)

… die mangels Geschichtskenntnissen heute oft banal Monsterbäume oder –wälder genannten Anpflanzungen das Ergebnis bäuerlicher und forstwirtschaftlicher kultureller Leistung sind? (Ausgewachsene Buchen zu fällen, war früher viel mehr als heute härteste Knochenarbeit, gab es doch keine Motorsäge. Daher war es sehr wirtschaftlich, die Bäume in ca. zwei oder zweieinhalb Metern Höhe zu schneiden und statt der dicken Stämme die dann von hier aus gewachsenen jungen Äste zu ernten, sobald sie die richtige Dicke hatten. Das Sägen wurde leichter, und das Spalten entfiel. Und unter der Höhe von zwei Metern ging das nicht, weil das frei weidende Vieh sonst die frischen Triebe abgefressen hätte. Für die Tiere blieben aber die seitlich aus der Wurzel wachsenden Triebe als Futter. Baumäste sind übrigens vorteilhaft für die Gesundheit der Tiere.)

… die Linde der Baum der Franken war, der regelmäßig alle 10 – 15 Jahre in Form geschnitten wurde, wovon es noch heute Beispiele am Niederrhein und im Oberbergischen gibt?

…die Eiche ursprünglich vor allem nördlich der Lippe (seit vielen Jahrhunderten eine geographische, ethnische, politische und religiöse Grenze) und in Ostwestfalen und im Lippischen angepflanzt wurde, also im Gebiet der Sachsen, und nicht beschnitten wurde, sondern frei wuchs? (Karl zwangschristianisierte die Sachsen bekanntlich vor 800 und eroberte dabei ihr Land, was dann für die weitere Verbreitung des „sächsischen“ Baumes sorgte.)

… Bäume, wenn sie regelmäßig beschnitten und somit zu neuem Austrieb animiert werden, viel älter werden als ihre unbeschnittenen Nachbarn?

… kein Baum älter als ca. 800 Jahre wird, auch wenn immer wieder von „tausendjährigen“ Eichen usw. die Rede ist? (Die 1000 Jahre sind leicht zu erklären, wenn man die Erinnerungsspanne des Menschen zugrundelegt: drei, höchstens vier Generationen, deutlich unter 100 Jahren. Diese „tausendjährigen“ Bäume bleiben immer tausendjährig.)

… die Linde der Baum der Frau ist, in matriarchalischen Gesellschaften dominierte? Der Baum Marias, weil ihre Blattform an ein Herz erinnert? Der Gerichtsbaum wurde, weil auch Justitia eine Frau ist?

… die Eiche der männliche Baum ist, in patriarchalischen Gesellschaften vorherrschte?

… in Ostwestfalen/Lippe die Linde in manchen Gegenden in ca. zwei Metern Höhe beschnitten wurde, damit man die neuen Triebe so biegen und wachsen lassen konnte, daß darauf ein Gerichtsraum eingerichtet werden konnte? (Die Seitentriebe wurden miteinander verflochten, so daß ein Baumhaus entstand.)

Vieles mehr wußte Heribert reif zu berichten, immer hoch interessant, fesselnd erzählt, das meiste neu, wenngleich mancher ihm nicht immer folgen mochte, so z.B. bei den Ausführungen des Referenten zu den Gründen für die Reformation. Da bleibt so mancher wohl doch eher bei der orthodoxen Deutung.

Über eineinhalb Stunden dauerte der Vortrag, doch niemand ging vorzeitig. Heribert Reif hatte seine Zuhörer in seinen Bann gezogen.

KH